Heute geht es gleich um zwei Bücher, normalerweise würde ich nicht zwei Bücher in einem Post beschreiben, aber diese beiden ähneln einander so sehr. Da das eine aber ziemlich genau 100 Jahre früher geschrieben, weiß man schnell, wer wem als Inspiration diente.

Zuerst möchte ich die Autoren kurz vorstellen:

Abbé Prévost (1697-1763)
Abbé Prévost hieß eigentlich Antoine-Francois Prévost, der Titel Abbé kommt von seiner eher weniger erfolgreichen klerikalen Laufbahn. Er trat zwei Mal (mit 15 und mit 20 Jahren) in ein Jesuitenkloster ein, hielt es dort aber nicht sehr lange aus, er floh vor der Beendigung des Noviziats. Mit 29 Jahren trat er in ein Benediktinerkloster ein und wurde zum Priester geweiht. Doch nach einigen Jahren floh er erneut aus dem Kloster, ging nach England und trat zum Anglikanismus über. Laut Wikipedia verarbeitet Prévost im Roman „Manon Lescaut“ seine leidenschaftliche und frustrierende Liebe zu einer Edelprostituierten, die er während dieser Zeit kennen lernt. Nach einer eher wilden Zeit in England, kehrte Prévost nach Frankreich zurück, wo er versucht hat, in das Benediktinerkloster zurückzukehren, er wurde tatsächlich für ein zweites Noviziat aufgenommen, welches er auch beendete und ihm eine Stellung als Priester ermöglichte. Prévost hat in seinem Leben eine Fülle verschiedener Werke geschrieben, bekannt ist heute nur noch „Manon Lescaut“.

Alexandre Dumas, der Jüngere (1824-1895)
Alexandre Dumas Junior war der uneheliche Sohn des Schriftstellers Alexandre Dumas, der „Die drei Musketiere“ oder „Der Graf von Monte-Christo“ geschrieben hat. „Die Kameliendame“ ist das bekannteste Werk von AD dem Jüngeren. Als Dumas 20 Jahre alt war, lernte er die gleichalterige Marie Duplessis, eine berühmte Kurtisane kennen und lieben, deren Tod an Schwindsucht in jungen Jahren ihn zu dem Roman inspirierte. Auch Madame Duplessis liebte Kamelien und hatte angeblich abwechselnd rote oder weiße Kamelien dabei. Rote, wenn sie ihren derzeitigen Liebhaber nicht empfangen wollte, weiße, wenn er willkommen war.

Zum Inhalt:

Der Inhalt beider Bücher ist sehr ähnlich.

In „Manon Lescaut“ (Originaltitel: L’Histoire du Chevalier des Grieux et de Manon) verliebt sich der junge Adelige Chevalier des Grieux in die junge und unheimlich attraktive Bürgerliche Manon, wobei ‚Verlieben‘ ist hier nicht das richtige Wort. Er verfällt ihr, er ist ihr hörig und tut alles, nur um mit ihr zusammen zu sein. Manon, die sich ihrer Schönheit sehr bewusst ist, hängt sehr am Wohlstand, Vergnügen und Unterhaltung. Sie bleibt dem Chevalier nur so lange treu, wie sie das Gefühl hat, das ihre Bedürfnisse befriedigt werden, sobald es nicht der Fall ist, gibt sie sich einem neuen, reichen Liebhaber hin. Ihre Liebe ist sehr schwankend und unbeständig. Der Chevalier opfert seinen Ruf, sein Vermögen und seinen Familienfrieden, nur um mit Manon zusammen sein zu können. Er wird zum Spieler, macht sich strafbar durch Diebstahl und Betrug, veramt völlig und landet im Gefängnis.

Die Familie des Chevaliers des Grieux und sein bester Freund Tiberge sind gegen die Beziehung und versuchen um jeden Preis ihn von Manon zu trennen und wieder auf den rechten Weg zu bringen, doch die Bemühungen scheitern. Eine Strafverbannung verschlägt den Chevalier und Manon nach Amerika, nach New Orleans. Doch auch dort widerfährt dem jungen Paar nur Unglück. Das Buch endet mit dem tragischen Tod der kränkelnden Manon.

Auch bei der „Kameliendame“ handelt es sich um eine leidenschaftliche aber unglückliche Liebesgeschichte. Die Kurtisane Marguerite Duras lernt den jungen und aus einem angesehenen Hause stammenden Armand kennen und nach und nach auch lieben. Marguerite ist einen luxuriösen Lebensstil gewöhnt, den Armand ihr nicht bieten kann. Aus Liebe ist sie jedoch bereit, auf die Liebhaber, die sie aushalten, zu verzichten. Doch Armand reagiert oft mit Eifersucht und zieht sich zurück. Als sie endlich beschließen, aufs Land zu ziehen um dort gemeinsam zu leben, fürchtet Armands Vater um den Ruf seiner Familie und bittet Marguerite, Armand zu verlassen. Diese fügt sich dem Wunsch des Vaters und kehrt zu ihrem früherem Liebhaber zurück, was jedoch sowohl Marquerite als auch Armand das Herz bricht. Armand flieht auf eine lange Reise und Marguerites, die schon im Vorfeld an Schwindsucht erkrankt ist, wird immer kränker. Als sie schon im Sterben liegt, schreibt Marquerite Armand einen Brief, in dem sie ihre Handlungen erläutert und ihm gesteht, dass sie ihn immer geliebt hat. Leider erreicht Armand nur noch die Versteigerung der Habseligkeiten der toten Marguerite.

Wie schon oben erwähnt, haben beide Bücher eine gewisse Ähnlichkeit, sowohl von der Handlung als auch von der Erzählerperspektive. Beide Geschichten werden von einem unabhängigen Fremden erzählt, der sich zufällig mit der jeweiligen männlichen Hauptperson anfreundet. Beide sind auch ein Gesellschaftsportrait, ein Bild einer Gesellschaft, in der die Familienehre eine wesentlich wichtigere Rolle als Gefühle spielt.
Die Sprache ist bei beiden Büchern recht einfach, man kann sie schnell und flüssig lesen.

In beiden Geschichten verliebt sich ein junger Mann aus einem „guten“ Elternhaus in eine Frau, deren Ruf eher zweifelhaft ist. In beiden Fällen begibt sich der Mann in Schwierigkeiten, um seine Geliebte zu unterhalten und beide Male ist die Familie des Mannes strikt gegen die Beziehung. Beide Geschichten enden unglücklich, die weibliche Hauptperson stirbt.

Alexandre Dumas macht kein Geheimnis daraus, dass er die Geschichte von „Manon Lescaut“ kannte. Armand schenkt Marquerite das Buch von Prévost und er findet es in ihrem Nachlass wieder. Das war der Grund, warum ich mir „Manon Lescaut“ gekauft habe, ich wollte wissen, welches Buch für die beiden Liebenden so wichtig.

Bei allen Gemeinsamkeiten sind die Bücher aber auch sehr unterschiedlich.

„Manon Lescaut“ ist eher die Beschreibung einer einseitigen Liebe. Manon mochte ihren Chevalier zwar ganz gerne, Liebe empfand sie aber nur für Vergnügen und Luxus. Der Chevalier dagegen war blind vor Liebe und hat alles erdenkliche getan, um mit seiner Geliebten zusammen sein zu können. Die Geschichte ist eher nüchtern, eine gelungene Beschreibung einer Obsession oder sogar ein abschreckendes Sittengemälde. Es ist aber keine romantische Liebesgeschichte.

„Die Kameliendame“ dagegen ist eine ganz klassische Liebesgeschichte, gefühlvoll und rührend. Marguerite und Armand lieben einander so sehr und können doch nicht zusammen sein. Das Buch habe ich vor Jahren schon einmal gelesen und jetzt hab ich im Auto das ungekürzte Hörbuch gehört. Naja, ich stand an der Ampel und hab geweint wie ein Schlosshund – was mir einige seltsame Blicke aus den Nachbarauto brachte. Das Buch ist mein Favorit.

Sehr lesenswert sind beide Romane, so ähnlich und doch so unterschiedlich.

Erstellt am Oktober 20, 2013

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5 Antworten zu “„Manon Lescaut“ von Abbé Prévost vs. „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas dem Jüngeren”

  1. Hallo Maegwin,
    zur französischen Literatur fühle ich mich magisch hingezogen, nachdem ich Balzac oder Camus gelesen habe. Dumas wollte ich auch immer mal gelesen haben. Das ist aber dem allgemeinen Zeitmangel zum Opfer gefallen. Schön, dass Du uns diese französische Literatur vorstellst.

    Gruß Dieter

  2. Darya B. sagt:

    Ich habe die Kameliendame auch vor Jahren gelesen und muss sagen, dass AD Sohn, obwohl er ein unehelicher war, sein Schreibtalent trotzdem eindeutig vom Vater geerbt hat. Für mich ist es eines DER Klassiker, die man gelesen haben muss.
    Danke für diese tolle Review zu beiden Büchern. Ich werde mich sogar vielleicht an dem zweiten Buch versuchen.
    Liebe Grüße
    Darya

  3. Die Kameliendame wäre dann eher etwas für mich, ich lese klassische Liebesgeschichten sehr gerne.
    XO

  4. Rostrose sagt:

    Liebe Maegwin,
    danke für deine tollen Beschreibungen voller Hintergründe. Ich bin zwar nicht unbedingt eine Freundin von tragisch endenden Büchern (was nicht bedeutet, dass ich Heile-Welt-Schinken bevorzuge, aber wenn ich von vorn herein weiß, es geht übel aus, lasse ich besser die Finger davon – deshalb bin ich für die meisten "Liebesklassiker" völlig ungeeignet), aber ich finde es z.B. spannend zu erfahren, welche Inspiration es für "Die Kameliendame" gab. Und richtiggehend amüsant fand ich die klerikale "Karriere" des Herrn Prévost… ich schätze mal, er hatte vor allem Probleme mit dem Zölibat… ;o)
    Allerliebste rostrosige Grüße
    Traude ♥♥♥

  5. Ich habe "Die Kameliendame" bisher zwei mal gelesen, mit ungefähr 10 Jahren Abstand, und ich habe beide Male R..z zu Wasser geheult! "Manon Lescaut" habe ich noch nicht gelesen, nur vor einigen Jahren die Oper gesehen, kann also keine Vergleiche ziehen. Dein Bericht animiert mich aber dazu, mir das Buch mal vorzuknöpfen.
    Danke für den Tipp.
    Liebe Grüße
    Susanne

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