Wenn es um die Reformation geht, denken alle an Luther und Wittenberg oder Eisenach. Braunschweig bringt keiner auf den ersten Blick mit Reformation in Zusammenhang. Doch auch Braunschweig trägt den Titel „Reformationsstadt Europas“, vor kurzem wurde dieser von der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa der Stadt verliehen. Braunschweig hat für die Geschichte der Reformation eine besondere Bedeutung, denn die Reformen breiteten sich von hier nach ganz Europa aus. Im Nachfolgenden Artikel erfahrt Ihr, wie die Reformation nach Braunschweig gekommen, warum die Reformen gerade hier wohlwollend angenommen wurden und welche Orte heute noch daran erinnern.

Reformation in Braunschweig

95 Thesen Luthers vor dem Braunschweiger Schloss

 

Zum Start ein kurzer Erklärfilm über die Reformation in Braunschweig:

Das Aufkeimen der Ideen der Reformation im Kloster St. Äegidien

11 Jahre nach der Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther, sind die Ideen der Reformation in Braunschweig eingezogen. Ein Benediktinermönch des Klosters St. Ägidien kam in Wittenberg mit den Lehren Luthers in Berührung. Seit dem veranstaltete er in seinem Kloster Vorlesungen über die Neuinterpretation der Bibel. Die Braunschweiger interessierten sich mehr und mehr für die „neue“ Kirche und verlangten nach einem Prediger der neuen Religion. Die Bürger setzten ihren Willen durch, obwohl ihr Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel überzeugt katholisch war. So kam der Prediger Johannes Bugenhagen, ein Freund Luthers und Pfarrer von Wittenberg nach Braunschweig und brachte evangelische Ideen mit. Wie viele Revolutionen, ging die Glaubensrevolution in Braunschweig von den starken Bürgern aus.

Das Kloster und die Kirche St. Ägidien blieben übrigens katholisch, obwohl die Braunschweiger Reformation hier ihren Ursprung hatte. Mehr über die Klostergeschichte und das heutige Museum erfahrt Ihr in meinem Artikel über das Kloster St. Ägidien.

Kloster St. Ägidien und Jüdisches Museum, Braunschweig

Innenhof des Klosters St. Ägidien

Kloster St. Ägidien und jüdisches Museum in Braunschweig

Innenraum des Klosters St. Ägidien

 

Erstes evangelische Sakramente in der St. Magni Kirche

1527 wurde in der Kirche St. Magni zum ersten Mal das Abendmal mit Brot und Wein gereicht. Auch wurden hier die ersten Kinder evangelisch getauft. Die St. Magni Kirche ist aber deutlich älter. Die erste Erwähnung der Kirche ist deren Weiheurkunde von 1031, es ist gleichzeitig der erste schriftliche Beweis der Existenz Braunschweigs. Von der ersten Kirche sind heute nur noch die Fundamente erhalten, der frühgotische Nachfolgebau stammt aus dem 13. Jahrhundert. Im II. Weltkrieg wurde die St. Magni Kirche stark beschädigt, eine Seite wurde modern wieder aufgebaut. Die Gegensätzlichkeit der alten und der modernen Seite macht die St. Magni Kirche zu etwas Besonderem.

Magni-Viertel in Braunschweig, Reformation in Braunschweig

Portal der Magnikirche im Magniviertel

Älteste Kirche von Braunschweig, Reformation in Braunschweig

Kircheninnenraum der Magnikirche

 

St. Ulrici Brüdernkirche – Entstehungsort der ersten lutherischen Kirchenordnung

Braunschweig war einer der wichtigsten Ausgangspunkte der Reformation in Niedersachsen. Vorher bekannten sich nur Ostfriesland und das Fürstentum Lüneburg zur evangelischen Religion. Von Braunschweig aus breiteten sich die Lehren in der ganzen Umgebung aus. Die in Braunschweig von Bugenhagen 1528 eingeführte Kirchenordnung gilt als die erste evangelische Kirchenordnung überhaupt, sie wurde zum Vorbild vieler anderer Städte. Die neue Kirchenordnung legte nicht nur kirchliche Änderung fest, sondern führte die Schulpflicht ein und regelte die erste Sozialhilfe.

Erbaut wurde die St. Ulrici Kirche Mitte des 14. Jahrhundert, im gotischen Stil. Früher war sie der Bestandteil eines Franziskanerklosters, daher auch der imposante Kreuzgang. Derzeit kann man in der Kirche einen Teil der Sonderausstellung zum Reformationsjahr „Im Aufbruch 1517-1617“ sehen, über die ich nachfolgend berichten werde. Aus dem Anlass wurde im Kreuzgang der Kirche ein sehr gemütliches Café eingerichtet, hier kann man in historischen Mauern selbstgemachte Speisen und Leckereien genießen.

St. Ulrici Brüder-Kirche in Braunschweig, Braunschweig auf den Spuren der Reformation

Café Kreuzgang im Kreuzgang der Brüdernkirche

Chorgestühl aus dem 14. Jahrhundert mit Malereien aus dem 16. Jhdt.

Wer war Johannes Bugenhagen?

Johannes Bugenhagen war ein Stadtpfarrer von Wittenberg, daher der enge Kontakt zu Luther und Melanchhton. Neben seiner Tätigkeit als Pfarrer hielt Bugenhagen Vorlesungen an der Universität von Wittenberg. Er war nicht nur ein guter Freundr und Vertraute Luthers, er traute auch Luther mit Katharina, taufte seine Kinder und als dieser starb kümmerte sich Bugenhagen um seine Familie.

In Braunschweig begann Bugenhagen mit der Verbreitung seiner Lehren. Später wirkte er in Norddeutschland und in Skandinavien. Während in Deutschland Johannes Bugenhagen schon nahezu vergessen ist, ist er in Skandinavien bis heute eine Berühmtheit – Reformator des Nordens wird er auch genannt.

Reformation in Braunschweig

Gemälde aus der Werkstatt von Lucas Cranach d.Ä. – Melanchthon, Luther und Bugenhagen

Ausstellung „Im Aufbruch – Reformation 1517-1617“

Derzeit kann man in Braunschweig eine interessante Ausstellung zum Thema Reformation besuchen. Die Ausstellung umfasst drei Orte: das Braunschweigischen Landesmuseum, die St. Ulrici Brüderkirche und die St. Ägidiuskirche. Hier erfährt, warum das Umdenken überhaupt möglich wurde oder wie die Reformation vom Buchdruck profitierte. Aber auch die Reformationsgegner und die Auseinandersetzungen spielen hier eine Rolle. Man erfährt viel über das damalige Weltbild, die Stimmung der Menschen. Die Angst vor der Hölle und vor dem Fegefeuer waren allgegenwärtig, die Kirche schürte die Angst und nutzte sie aus, indem sie durch den Verkauf von Ablassbriefen viel Geld machte. Die Angst wurde noch stärker, da Europa von „den Ungläubigen“ bedroht wurde, da die Türken Europas Süden eingenommen haben. Gleichzeitig bildet sich aber die Strömung der Renaissance, der Aufklärung, neue Entdeckungen und Erfindungen prägen das Weltbild. In der Ausstellung wird z. B. erklärt, welchen Einfluss die Entdeckung des Buchdruckes auf die Reformation hatte, denn ohne Buchdruck wäre die Verbreitung von Luthers Lehren gar nicht möglich gewesen. Die Bibel wurde zum Bestseller, die Reformen lösten einen Bildungsschwung aus. Auch erfährt man, wie der neue Glaube mit dem Altglauben konkurriert und wie sich nach der Zeit der Euphorie die ersten kritischen Stimmen gegen die Reformation bilden. Mit dem Jahr 1617 endet die Ausstellung mit einem eher traurigen Ausblick. Denn 1618 begann der 30-jährige Krieg, der europaweite und blutige Krieg der Konfessionen.

Ausstellung Im Aufbruch - Reformation in Braunschweig

Vitrine mit Bibeln der Luther-Übersetzung

 

Fazit

Die Ausstellung war sehr interessant für mich, da sie alle Zusammenhänge gut und anschaulich erklärte. Bisher hatte ich nur ein lückenhaftes Halbwissen über die Reformation, einige der Lücken konnten hier geschlossen werden. Doch auch wenn das Reformationsjahr zu Ende ist, lohnt sich ein Besuch in Braunschweig, denn die Stadt hat nicht nur interessante alte Kirchen zu bieten. Braunschweig macht einfach Spaß. Die Stadt ist so lebendig und vielseitig, aber darüber habe ich ja schon im Vorfeld viel berichtet.

Lego Luther und Bugenhagen für die Badewanne

Reformatoren für alle Lebenslagen – hier Luther und Bugenhagen

Comic über das Leben des Reformators

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Auf die Reise nach Braunschweig wurde ich von Braunschweig Stadtmarketing GmbH eingeladen. Vielen Dank dafür! 

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Erstellt am Oktober 24, 2017

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