*Pressereise*

Die Pop-Art-Werke, die derzeit im Sprengelmuseum Hannover ausgestellt werden, wirken auf uns bunt, leicht und sorglos. Doch auf den zweiten Blick verzerrt sich das Bild plötzlich, die Werke wirken seltsam, düster und aggressiv. In der aktuellen Sonderausstellung „NIKI. KUSAMA. MURAKAMI. LOVE YOU FOR INFINITY“ werden drei zeitgenössische Künstler:innen gezeigt, deren Werke auf den ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten aufweisen, die jedoch von sehr ähnlicher Thematik inspiriert sind. Themen wie Liebe und Unendlichkeit, Alpträume und Monster oder Kunst und Kommerz wurden von jedem Künstler auf eigene, bunte Weise interpretiert. Die Ausstellung im Sprengel-Museum zeigt die Werke der drei Künstler:innen zum ersten Mal gemeinsam in einer faszinierenden Gegenüberstellung.

Love you for Infinity – der Wunsch nach unendlicher Liebe

Die Themen Liebe und Unendlichkeit sind in der Ausstellung allgegenwärtig. Der Rundgang beginnt mit dem Thema Liebe, das aus vielen verschiedenen Perspektiven betrachtet wird. Ehe, Familie und Sexualität können wunderschön, aber auch beängstigend sein. Manchmal geht mit der Schönheit Bedrohung oder Unsicherheit einher. Auch Ängste, Alpträume, mentale Krisen und psychische Belastungen werden in vielen Werken thematisiert und gegenübergestellt. Der Vergleich der Werke ist faszinierend: Obwohl Niki de Saint Phalle auf den ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten mit den japanischen Künstlern hat, findet man bei genauerer Betrachtung dieselben Themen und Sujets. Die Räume sind thematisch gegliedert. Am Anfang steht die Liebe. Es folgen Wut, Sexualität und Visionen mit Monstern. Ganz am Ende der Ausstellung werden schließlich die Werke gezeigt, in denen sich die Künstler mit dem Tod und der Unendlichkeit auseinandersetzen. Dieser Teil hat mich am meisten berührt und beeindruckt. Hier erwartet die Besucher eine einzigartige Überraschung: der Infinity-Room von Yayoi Kusama.

Niki de Saint Phalle, Yayoi Kusama, Takashi Murakami – im Sprengel-Museum in Hannover

Vor 25 Jahren schenkte die Künstlerin Niki de Saint Phalle dem Sprengel-Museum in Hannover mehr als 400 ihrer Werke. Anlässlich dieses Jahrestags wird im Sprengel-Museum in Hannover eine Ausstellung mit zahlreichen bekannten und unbekannten Werken gezeigt. Seitdem zählen die Werke von Niki de Saint Phalle zu den Wahrzeichen Hannovers. Die großen, bunten Nanas am Fluss Leine und die schillernde Grotte in den Herrenhäuser Gärten sind nicht nur den meisten Hannoveranern, sondern auch sehr vielen Touristen bekannt. Die Künstler Yayoi Kusama und Takashi Murakami sind vermutlich die berühmtesten zeitgenössischen Künstler Japans. In Deutschland sind sie jedoch eher selten zu sehen. Schon deshalb ist die Ausstellung etwas Besonderes. Die Gegenüberstellung der Kunstwerke und die Gemeinsamkeit der Sujets sind bewegend. Obwohl die Werke und Stile der Künstler:Innen völlig unterschiedlich sind, beschäftigen sich doch alle mit denselben Themen. Außerdem verbindet alle Künstler die Wiedererkennbarkeit, denn viele der Werke werden sofort erkannt.

Niki de Saint Phalle – Nanas und Schüsse

Ihre Werke sind sehr feministisch geprägt. Die Nanas – große, bunte und sehr runde Frauenskulpturen – sind ihr Markenzeichen. Zunächst wurde Niki de Saint Phalle als Model bekannt, später wurden ihre „Schießbilder” berühmt. Dabei schoss sie auf Farbbeutel, die an einer Leinwand angebracht waren. Durch das Schießen drückte Niki all ihre Wut auf das Patriarchat, ihre Kritik am Krieg aus und verarbeitete den sexuellen Missbrauch aus ihrer Kindheit. Ihre Werke sind ein feministischer Protest und in den 60er Jahren etwas ganz Neues. Im Sprengel-Museum kann man mehrere dieser „Schießbilder” sehen. Doch auch ihre Liebes- und Heiratsdarstellungen haben eine schöne und bedrohliche Komponente. Viele ihrer Werke beschäftigen sich mit Spiritualität, dem Tod und der Unendlichkeit nach dem Tod. In ihren Werken sind Gefühle und Gedanken greifbar. Immer wieder war ich berührt und begeistert.

Yayoi Kusama – Punkte und Pumpkins

Fast alle Künstler haben ein Merkmal, anhand dessen ihre Werke sofort zu erkennen sind. Bei Yayoi Kusama sind es Kürbisse und Punkte. Schon in ihrer Jugend soll die Künstlerin an Halluzinationen gelitten haben: Sie sah Punkt- und Netzmuster. Diese Muster sind bis heute in ihren Werken zu finden. Die Kürbisse sind ihr Gegenpol, ihr Mittel gegen die Halluzinationen. Mit Kürbissen verbindet Kusama Trost und ein warmes Gefühl. Neben Kürbissen und Polka Dots werden im Sprengelmuseum auch mehrere Werke gezeigt, die Sexualität symbolisieren. Vor allem die zahlreichen phallusähnlichen Darstellungen sind beeindruckend. Das Highlight kann man aber ganz am Ende der Ausstellung sehen. Im „Infinity Mirrored Room“ sind die Besucher von einer unendlichen Zahl bunter Kugeln umgeben, die sich in unendlich vielen Spiegeln spiegeln.

Takashi Murakami – Blumenfülle in bunter Mangawelt

Ich habe Takashi Murakami in Kyoto entdeckt, als dort seine Ausstellung über japanische Geister und Monster gezeigt wurde. Seine Bilder und Skulpturen sind vor allem bunt und schrill, als ob sie aus einem Manga oder Anime stammen würden. Und doch haben alle Werke eine zweite, düstere Ebene oder enthalten Gesellschaftskritik. So sind seine fröhlichen Blumen beispielsweise schwarz oder haben spitze Zähne. Seine süßen Mangamädchen haben so große Brüste, dass sie umzufallen drohen. Der goldene Riesenpenis Mr. Big Mushroom soll nicht nur einen Phallus darstellen, sondern kann auch als Atombombenpilz interpretiert werden.

Ist es noch Kunst oder schon Kommerz?

Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit, die die Künstler:innen verbindet. Sie alle sind Kooperationen mit Luxuslabels eingegangen. So haben sowohl Takashi Murakami als auch Yayoi Kusama für Louis Vuitton gearbeitet. Kusama brachte eine Kollektion gepunkteter Champagnerflaschen und Vuitton-Taschen heraus. Takashi Murakami wiederum drehte Werbefilme für Louis Vuitton und schmückte Produkte mit seinen Blumen. Auch Niki de Saint-Phalle arbeitete mit Kosmetikherstellern zusammen. Hier stellt sich vielen die Frage, ob das noch Kunst oder schon Kommerz ist. Als ich Takashi Murakami zum ersten Mal sah, war auch ich überrascht und zwiegespalten, denn im Garten des Museums für Bildende Kunst der Gegenwart in Kyoto steht eine riesige goldene Blume von Murakami auf einem überdimensional großen Koffer von Louis Vuitton. Was soll das? Ist es Werbung oder Kommerzkritik? Diese Frage kann auch ich nicht beantworten. Ich weiß nicht, ob LVMH ein Sponsor des Museums ist. Für die Kunstwerke der drei Künstler:innen werden riesige Summen gezahlt. Schon im Museumsshop kostet ein Blumenkissen von Murakami 200 €. Daher ist Kunst immer auch ein Stück weit kommerziell.

Wann hast Du zuletzt einen Liebesbrief geschrieben?

Etwa in der Mitte der Ausstellung befindet sich ein rosa Raum mit zahlreichen Sitzgelegenheiten, Briefpapier und Umschlägen sowie einer großen Stellwand. Hier haben Besucher die Gelegenheit, einen Liebesbrief zu schreiben. Wann hast Du zuletzt einen Liebesbrief geschrieben? Bei mir ist es schon sehr, sehr lange her. In der heutigen Gesellschaft sind Liebesbriefe irgendwie in Vergessenheit geraten. Hier haben die Besucher nicht nur die Gelegenheit, sondern oft auch die Zeit, einen Liebesbrief zu schreiben, denn die Station wird sehr gut angenommen. Manche Besucher pinnen ihre Liebesbriefe an die Pinnwand. Andere wiederum hängen dort ihre Partnergesuche hin. Die Pinnwand wird häufig wie eine physische Tinder-App genutzt. Die Liebesbriefe können kostenlos verschickt werden, denn das Sprengel-Museum hat eine Kooperation mit der Citypost. Dafür stehen im Raum ein Briefkasten und vorab frankierte Briefumschläge bereit. Jeder Brief, der dort eingeworfen wird, wird verschickt.

Ein Highlight: Drei großartige Künstler – zum ersten Mal in dieser Konstellation

Auf diese Ausstellung habe ich mich schon seit geraumer Zeit gefreut. Sie war interessanter und vielseitiger als erwartet. Schon als ich in Japan zum ersten Mal die Werke von Takashi Murakami sah, war ich begeistert. Nie hätte ich gedacht, dass mich diese schrillen und bunten Kunstwerke ansprechen – doch ich liebe sie. Von Niki de Saint-Phalle gefällt mir fast alles und Yayoi Kusama war eine Neuentdeckung für mich. Doch diese Ausstellung lebt vor allem von der Gegenüberstellung und den Gemeinsamkeiten. Ich muss wiederkommen und mir beim nächsten Mal mehr Zeit lassen.

Love you for Infinity - Niki, Kusama, Murakami 
Fledermaus mit Schädeln von Niki de Saint Phalle
Sind Schädel und Fledermäuse düster? Nicht bei Niki de Saint-Phalle oder Takashi Murakami. Der Tod und was danach kommt, wird von allen Künstler aufgegriffen.

Daten zur Ausstellung

NIKI. KUSAMA. MURAKAMI. LOVE YOU FOR INFINITY

Dauer: 06.09.2025 bis 14.02.2026 – Die Ausstellung endet am Valentinstag – sehr passend, denn schließlich dreht sich in der Ausstellung vieles um die Liebe.

Öffnungszeiten:
Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag 10.00 bis 20.00 Uhr (nur die Sonderausstellung!)
Das Museum ist bis 18.00 Uhr geöffnet.
Donnerstag und Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr

Der Genuss nach der Kunst: Restaurant bell’ARTE

Das bell’ARTE ist ein Museumsrestaurant – oder besser: ein Restaurant im Museumsgebäude. Selbstverständlich ist es auch abends geöffnet, wenn das Museum bereits geschlossen ist. Es ist ein italienisches Restaurant mit hervorragenden Speisen. In diesem Artikel erwähne ich es jedoch wegen der Sonderkarte. Zu jeder Sonderausstellung kreiert der Küchenchef eine besondere Speisekarte, indem er sich von den ausgestellten Künstlern inspirieren lässt. Von dieser Idee war ich begeistert. Ich wählte ein von Murakami inspiriertes Gericht: vegan, gesund und sehr bunt. Es war köstlich, der Wein übrigens auch.

Restaurant im Sprengel-Museum, Restaurant bell'ARTE in Hannover
Mein Murakami-inspiriertes Gericht im Restaurant bell’ARTE in Hannover


Erstellt am Oktober 4, 2025

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